Jetzt purzeln sie wieder, die Jahresrückblicke auf 2014 und die Vorausschau auf die Trends 2015. Auch ein berufliches Resümee zum Thema Affiliate Marketing kann sich dem scheinbar nicht erwehren. Mich selbst zähle ich nicht gerade zu den großen Literaten der Branche und lasse gerne einmal acht Monate bis zu einem neuen Post vergehen.
Jetzt nutze ich dennoch die besinnliche Zeit vor Weihnachten, um ein wenig in mich zu gehen. Anlass ist der Artikel „Jahresrückblick und Affiliate-Trends 2015“ meines geschätzten Kollegen Markus Kellermann, erwiesener Maßen einer der langjährigen Performance-Marketing-Experten.
Im Gegensatz zu Markus teile ich den Optimismus zum „Umsatzboost“ bei vielen Partnerprogrammen nicht uneingeschränkt. Zumindest halte ich eine Trennung in Inhouse Partnerprogramme, direkte Kooperationen und letztlich Public Networks, wie zanox, affilinet, belboon für sinnvoll. Vielleicht liegt es an meinem für Onlinekreise bereits fortgeschrittenen Lebensalter, in dem man etwas kritischer zu werden scheint. Aber ich vermute, auch bei Markus einen kleinen Hauch Skepsis heraus zu hören.
Woher soll das Affiliate Wachstum 2015 kommen? Aus neuen Geschäftsmodellen gepaart mit neuen Technologien? Zu welchem Anteil trifft dabei inkrementelles Wachstum auf Verdrängungswettbewerb innerhalb der Online-Marketing-Kanäle?
Aus meiner Sicht macht es Sinn das Wachstum auf drei Advertiser-Segmente aufzuteilen:
- Kleine bis mittlere junge Startups, die versuchen sich in der Nische zu positionieren. Hier ist die Marketing-Strategie von Wachstumszielen und Marktanteilen geprägt. In der Regel sind die Ausgaben fokussiert auf effizient skalierbare und stark performance-orientierte Kanäle. Eigenes Know-How muss durch Trail & Error möglichst schnell und mit geringem Budgetaufwand aufgebaut werden. Umfangreiche Tech-oder BI-Ressourcen sind in der Regel nicht verfügbar
- Große, datengetriebene Onlinehändler, die sich möglichst schnell im Markt etablieren wollen. Ihre Wachstumsziele bewegen sich im hohen zweistelligen Bereich, wofür sie alteingesessene, fragmentierte Marktstrukturen nutzen, um daraus reichweitenstarke Onlineshops mit deutlich besserer Nutzer- und Kundenerfahrung abzuleiten. Marketingausgaben sind performance-orientiert und orientieren sich an Neukunden CPOs, Bestandskunden ROIs bzw. Lifetime Values. Channel Performance Reviews finden permanent statt – starre Budgets gibt es nicht, Tech- und BI-Abteilungen unterstützen Marketingentscheidungen
- Etablierte Online- bzw Mutichannelhändler, die sich eine marktbeherrschende Position erarbeitet haben. Der Marktanteil ist hoch und die Wachstumsziele bewegen sich im einstelligen Prozentbereich. Die Marketingausgaben, bzw. hier separate Online Marketing Ausgaben, werden relativ starr anhand der Performance der Vergangenheit verteilt und von den verantwortlichen Managern verteidigt. In der Regel werden alle klassischen Kanäle bedient: SEA, Display, Email & Affiliate Marketing. Entscheidungen über zusätzliche Kanäle wie z.B. Paid Social Media oder den Einsatz von Tech-Ressourcen ziehen sich aufgrund starrer Budgetstrukturen in die Länge.
Mit Blick auf die diese drei Segmente würde ich für die Definition von Wachstum eine weitere KPI in den Ring schicken: das flächenbereinigte Wachstum. Diese Kennzahl aus dem klassischen Handel schließt Hinzugewinne durch Erweiterungen aus. Auf das Online Marketing übertragen, würden z.B. im Jahresverlauf 2014 neue gestartete Partnerprogramme nicht mehr zum Wachstum der Public Networks beitragen, worin ich jedoch den größten Anteil schätzen würde.
Bleiben die reinen Onlinehändler und die etablierten Platzhirsche. Erstere verfügen über reichlich Marketingbudget, das zum Ausbau der Marktposition genutzt wird. Durch den daten- und technologiegetriebenen Ansatz verstehen sie die Customer Journey recht gut, erkennen Potentiale schnell und erschließen sie selbst. Scheinbar inkrementelle Rückgewinnung der Sales von Warenkorbabbrechern mittels cookiebasierten Retargetingtechnologien durch Affiliates, ist hier seltener zu sehen. Eigene CRM-Systeme können dafür beispielsweise deutlich segmentierter, effizienter und für den potentiellen Kunden weniger aufdringlich eingesetzt werden.
Einen dennoch hervorragenden Wachstumsansatz sah ich sowohl in den Performance Ads von affilinet als auch dem Zukauf von metrigo durch zanox. Beide Technologien stehen für zusätzliche Reichweite und Traffic aus einer relevanten Zielgruppe – aufgrund der hohen Besucherzahlen und der damit leichten Erstellung von Nutzerprofilen auf den Plattformen der Zalando’s, Otto’s oder Baur’s höchst interessant. Im Falle von metrigo/zanox und deren Trennung nach einem Jahr ließen sich wohl doch zu wenige Online-Händler und etablierte Platzhirsche auf die Verlagerung von großvolumigen Kampagnenbudgets vom Display- in den Affiliate-Kanal ein. Ein Test der affilinet Performance Ads ist in meinem persönlichen Fall daran gescheitert, dass ich mehr als 8 Wochen auf die Antwort zur potentiellen Reichweite im affilinet Publisher Netzwerk warten musste. Vermutlich liegt der Fokus auf anderen affilinet Geschäftsbereichen oder Advertisern.
Persönlich bin ich also skeptisch, ob das Affiliate Wachstum der Public Networks aus neuen Geschäftsmodellen bzw. Technologien kommen kann. Aus meiner Sicht konzentrieren sich schnell wachsende Online-Händler auf die Nutzung eigener Technologien und profitieren aus ihren Learnings. Große, etablierte Marken, scheinen Ertragsmaximierung vor Umsatzwachstum zu stellen. Kleine, junge Startups werden die Abwanderung von Budgets in andere Online-Marketing-Kanäle sowie Inhouse Partnerprogramme nicht komplett auffangen können.